Von Dr. Friedrich Opes, 1. Vorsitzender der HGV
Bis Ende des 19. Jahrhunderts waren die kalten schneereichen Winter für Winterberg und Umgebung kein Wirtschaftsfaktor. Der Schnee machte Schlagzeilen, wenn jemand erfroren war oder wie Franz Fernholz 1849 nach spektakulärer Rettungsaktion regelrecht „aufgetaut“ werden musste.
Ab den 1880er Jahren ist überliefert, dass der damalige Oberförster Hagemann und weitere seiner Kollegen Skier (genannt Schneeschuhe) nutzten, um sich effektiver fortbewegen zu können. Vorbilder dieser Skier waren schon aus anderen Gebirgsregionen Deutschlands bekannt. Die Skier waren lange Zeit ausschließlich von Schreinern und Stellmachern aus heimischem Eschenholz hergestellt worden
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Um 1900 gab es die ersten, welche die Skier nicht mehr nur zur Erleichterung der Fortbewegung nutzten, sondern für ein sportliches Vergnügen, das sich vor allem die Reichen leisten konnten. Man nutzte übrigens damals nicht wie heute zwei, sondern nur einen Stock.
Mit dem Anschluss Winterbergs an das Schienennetz 1906 erfolgte ein Boom der Skigäste. Winterberg richtete sich darauf ein, zum einen durch Investitionen in die Unterbringung und Versorgung der Gäste, zum anderen durch Deckung des Bedarfs an Skiern, die von Georg Brinkmann-Schauerten in seinem Laden angeboten wurden.
Am 23. Februar 1907 fanden sich neben Georg Brinkmann einige Honoratioren der Stadt zusammen und gründeten im Hotel Vollmer (heutiges Hotel Leisse) den Skiclub, dessen erster Vorsitzender Oberförster Karl Hagemann war, einer der ersten, die selber die Skier benutzt hatten.
Parallel am selben Tag gründete sich an gleichem Ort der Skiclub Sauerland, dessen Vorsitzender Regierungsrat Hugo Theyssen war. Die weiteren Vorstandsmitglieder waren hohe Beamte nicht nur aus dem Sauerland, sondern aus ganz Westfalen und darüber hinaus, z.B. der Oberpräsident der Provinz Westfalen und der Fürst von Sayn-Wittgenstein-Berleburg.
Schon im Gründungsjahr erfolgte der Bau einer Naturschanze am Herrloh, der Nordhang wurde als Abfahrtsstrecke erschlossen, und Ski-Wanderstrecken wurden erschlossen und markiert. Der Wintersport nahm nun einen großen Aufschwung. Georg Brinkmann verschickte Wetterberichte, es wurden die ersten Skifeste ausgerichtet, und es fuhren die ersten Ski-Sonderzüge.
1910 wurde das Angebot erweitert. Der „Sauerländer Bobsleigh-Club für Rheinland, Hessen und Westfalen“ (heute Bobclub) wurde gegründet, und es verwundert nicht, dass sich auch hier die Gründerväter des Winterberger Skiclubs engagierten.
Schließlich konnten ab 1911 auch die ersten immerhin 22 umfassenden Werbeprospekte herausgegeben werden, die neben Skitouren auch Verkehrsverbindungen und Werbung enthielten.
Die Winterberger Gastronomie musste sich auf den Gästeansturm einstellen. Auch die verfügbaren Unterbringungsmöglichkeiten waren begrenzt, und der Luxus ließ nach Meinung vieler oft zu wünschen übrig. So beschwerte sich ein Leser bei der Zeitung über schlechten Service, schlechte Unterbringung und zu hohe Preise: „Während im Kreise der Wintersportfreunde zahlreiche Personen in selbstlosester Weise Zeit, Geld und Mühe opfern, um das obere Sauerland als Wintersport- und Ausflugsgebiet bekannt zu machen, rührt die einheimische Bevölkerung mit ganz verschwindenden Ausnahmen keinen Finger – es sei denn zum Einnehmen des Geldes, das den Besuchern reichlich abgenommen wird. … Daß die Zahl der Hotelbetten nicht ausreicht, ist nicht verwunderlich. Kein vernünftiger Mensch wird auch etwas dagegen einwenden, wenn er in ein Bauernhaus einquartiert wird, wird auch gerne einige Unbequemlichkeiten mit in Kauf nehmen. Wenn man aber für ein derartiges zweibettiges, unheizbares Zimmer, das lieblich nach dem darunter liegenden Stall duftet, und dessen Einrichtung höchst ursprünglich ist, einschließlich Frühstück 7 Mark bezahlen muß, so ist das doch etwas recht stark. Ähnlich ist es mit der Verpflegung. Man wird schlecht behandelt, von Kellnern angeschnauzt, muß Ewigkeiten warten, erhält schließlich nur noch einen Teil des angekündigten Menüs und hat dafür den schönen Trost, den vollen Preis bezahlen zu dürfen…
Im März 1911 erschien im Sauerländischen Gebirgsboten eine Gegendarstellung mit folgender Erklärung: „In Winterberg bestehen 5 Gasthöfe, die sich, besonders die Alteingesessenen, alle Mühe geben, den berechtigten Ansprüchen der Fremden entgegenzukommen. Aber diese Fremden tragen eben selbst am meisten die Schuld an den Zuständen, wie sie ja zum Teil entstanden sind. Winterberg hat 1400 Einwohner, nun strömen an einem einzigen Tage, ja fast in einer einzigen Stunde rund 3000 Auswärtige in den Ort, zumeist Leute, die nur den Maßstab ihrer Großstadt kennen oder vielmehr nicht kennen, denn sonst würden sie sich sagen, 3000 Gäste für Winterberg sind soviel wie etwa 700000 für Essen…“
Immerhin wurde der Hotelkomfort von einigen anerkannt: So heißt es in einer Broschüre über das Schullandheim Bochum: „Wie stark sich der Komfort des Hotels vom übrigen Übernachtungsangebot Winterbergs unterschied, mag dieser Postkartengruß von 1929 aus dem ,,Kur- und Sporthotel Waldhaus“ veranschaulichen: ,Hier ist es herrlich. Erst waren wir in einem Dorf, da wollten wir wohnen, aber der Düngerhaufen war unterhalb der Wohnräume und alles wimmelte von Fliegen, da rissen wir aus.‘“
Manche Kinder mussten auch ihr Bett räumen, wenn Gäste kamen, und es gibt auch eine Überlieferung, dass die Hausbesitzer zugunsten der Gäste ihr Ehebett räumten und stattdessen im Ziegenstall nächtigten…
Nebenbei: Manche Gäste mochten es, wenn sie durch eine Klappe, die sich im Fußboden der Zimmer befand, die warme Stallluft in die Zimmer hereinlassen konnten, um es in den Zimmern einigermaßen warm zu haben.
Dieser Artikel des 1. Vorsitzenden des Heimat-und Geschichtsvereins Winterberg wurde am Freitag, den 1. Dezember 2023 mit freundlicher Genehmigung in der Westfalenpost veröffentlicht..